Vita – Dolce Vita
Viggo ist das erste Mal seit 30 Jahren auf Urlaub – mit seinem Oldtimer Motorrad zum Gardasee. Eigentlich sollte es ein ruhiger Urlaub werden, weit ab von Städten und Menschenansammlungen. Doch leider hat Viggo nicht nur sein Werkzeug, sondern auch Murphy im Topcase. Ob sein Freund Pietro mit seiner Recyclingstation und ein paar Ersatzteilen helfen kann?
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Hörbuch:
Leseprobe
Bozen, 2097.
Viggo verließ mit steifen Beinen den Fahrradreisezug von Malmö. Sein Magen krampfte beim Blick auf die Zugbegleiterin, die ein Zweirad nach dem anderen aus dem Ständer wuchtete. Als er Vita am Ende der Rampe in Empfang nahm, machte es ›Tock‹ im Ohrknopf und Viggo murmelte: »Vorlesen«.
»Ciao Viggo! Wir treffen uns am See. Bis später!«
Viggo klickte die Seitenkoffer in die Halter und packte das Topcase auf den Tank. Dann stieg er auf und drückte den Anlasser. Alle Lampen leuchteten einmal kurz auf. Viggo wurde warm ums Herz.
Vita war sein ganzer Stolz – ein Oldtimer mit grünem Nummernschild. So etwas gab es heute gar nicht mehr. Die erste Modellreihe mit Elektromotor, aber mit manueller Schaltung von 2020. Sie war noch ohne Geräusch-Emulator, absolut leise und das schönste Bike der ganzen Welt; abgesehen von den zwei unterschiedlich farbigen Lenkergriffen. Und den Seitenteilen in fünf verschiedenen Grüntönen. Und dem Flugrost am linken Spiegel. Die mit gewachstem Nesselstoff geflickte Sitzbank war auch eher zweckmäßig. Es gab einfach keine originalen Ersatzteile mehr, weil mittlerweile alles umgehend recycelt wurde, was nicht niet- und nagelfest war. Deswegen war auch der Akku eine chinesische Sonderanfertigung.
›Vita‹, der schwedische Name in Viggos Muttersprache, war ein Überbleibsel seines Philosophie-Studiums. Auf ›Wissen‹ um den Fjord zu jagen, war großartig. Aber weiter als um den Fjord war Viggo noch nie gekommen. Seit dreißig Jahren nicht. Vor allem wegen seiner Abneigung gegen große Menschenansammlungen. Städte waren seine Horrorvision. Sein erster echter Urlaub sollte deswegen weitab von Menschenansammlungen stattfinden – nur Vita, Pietro und er.
Viggo navigierte nach Gehör – also nach dem Knopf in seinem Ohr. Die Häuser wurden niedriger, dann weniger und schließlich war die Stadt zu Ende. Die geplante Strecke hatte er schon vor Wochen in seinen Taschencomputer gespeichert. Die ältesten Bilder, die er im Internet gefunden hatte, zeigten noch Schnee auf den Berggipfeln der Alpen und eine üppige Vegetation weiter unten. So sah es nicht mehr aus. An den Schattenseiten der Berge hatten sich Bäume und Sträucher jedoch gehalten. Er hatte sogar einige Wiesen gesehen. Irrwitzig!
Beim Vorbeifahren klappte er das Visier ganz auf und sog die Luft tief ein. So etwas hatte er bisher nie gerochen. Er versuchte, sich so viel wie möglich einzuprägen. Die Kamera in seiner Brille nahm die Bilder um ihn herum auf, damit er später zu Hause die Fahrt noch einmal erleben durfte. Oder hundertmal.
Vor einer Kurve schaltete Viggo runter, es machte ›Klack‹ und unter seiner linken Hand ruckte es. Der Kupplungsgriff ging mit einem Mal viel zu leicht. Der vierte Gang war drin und blieb dort. Als er eine gute Stelle zum Anhalten fand, bremste er und würgte den Motor ab.
»Ursäkta«, entschuldigte er sich bei Vita und tätschelte seitlich ihren Tank.
Viggo stieg ab und begutachtete den Schaden. Das Seil ließ sich herausziehen. Er fluchte. Es half nichts, der Kupplungszug war gerissen. Per Sprachbefehl rief er bei der Verkehrsleitstelle an und bat um Hilfe. »Nein, kein Fahrrad. Ein Motorrad. Ja, das ist mein Ernst«, übersetzte sein Telefon für ihn. Sechsunddreißig Minuten später wurde Vita auf einen LKW-Abschleppwagen verladen. So hatte sich Viggo das nicht vorgestellt.
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#Umwelt #Klima #SciFi #Zukunft #Mobilität