Mord & Schokolade
Der erste Teil der Paula Anders Reihe. Das süßeste Fachwerkhaus der Welt, wie der Hildesheimer “Umgestülpte Zuckerhut” schon einmal genannt wurde, beherbergt Paula Anders’ Spezialitätengeschäft »Bittersweet«: Schokolade und Kaffee. Nur einige hundert Meter weiter klaffen auf der Dombaustelle tiefe Löcher in der entweihten Erde. Als auf den Stufen zur Krypta ein Toter mit einer mysteriösen Schokoladentafel in der Tasche gefunden wird, steckt Paula mit einem Mal tief in Verstrickungen und Korruption, denen auch ihre Jugendliebe Thomas nicht entrinnen kann.
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Leseprobe
»Du miese Ratte!« Rita tobte und machte zwei große Schritte auf Christian zu, der vergeblich versuchte, die Fassung zu bewahren. »Gottloser Dreckskerl! Ich hätte dich nie heiraten sollen!« Ihre Stimme hallte schrill von den blanken Wänden der entweihten Krypta wieder. Sand rieselte aus einem Mauerspalt am hinteren Ende, wo die Archäologen sich bis durch die Wand gegraben hatten.
»Rita, beruhige dich doch. Es ist alles nicht so, wie du denkst.«
»Nicht, wie ich denke? Nicht wie ich denke? Was ist daran denn anders zu denken, wenn ich herausfinde, dass du fremdgehst? Wer ist die Schlampe? Wie jung ist sie?«»Rita, ich habe mit keiner …«»Ach nicht?« Sie zog die Packung Kondome aus der Jacke, die sie am Mittag in seiner Tasche gefunden hatte. »Und was ist das hier?«
Christian wurde blass. Er war so vorsichtig gewesen, hatte immer so penibel darauf geachtet, dass es keine Anzeichen und schon gar keine Beweise gegeben hatte. Und nun hatte seine Frau tatsächlich etwas in der Hand. »Aber die sind doch für die Jugendgruppe … Ich habe da zwei erwischt und … Jetzt beruhige dich doch, Liebes.«
»Liebes? Du wagst es noch, mich Liebes zu nennen? Und wieso genau sollte ich mich beruhigen?« Sie kam noch einen Schritt näher und ihr Blick schweifte dabei über die Gerüste und Baustellentische, die die Dombaustelle beherrschten. Sie fand einen großen Hammer auf dem Gerüst, griff ohne nachzudenken nach dem Werkzeug und war in der nächsten Sekunde erstaunt darüber, wie schwer es war. Doch ihre Wut war unbändig genug, dass sie es weitere drei Sekunden später schon wieder vergessen hatte und sich dabei fand, den völlig verdutzten Christian damit zu bedrohen. »Acht Jahre lang war ich dir treu! Acht Jahre!«
»Rita, du bist die einzige …«
»Acht! Jahre! In denen du die meiste Zeit unzählige Ausreden gefunden hast, um bloß keine Zeit mit mir zu verbringen! Ich wartete daheim und wo warst du? Hier!« Sie schwenkte den Hammer um sich in einer Geste, die den gesamten Bau mit einschloss. »Ich machte mich hübsch für den gemeinsamen Abend im Theater und wo warst du? Mit der Jugendgruppe am Galgenberg!« Sie schwang den Hammer in die grobe Richtung, wo sich am Stadtrand die genannte Anhöhe befand. »Ich habe ein Fünf-Gänge-Menü gekocht zu deinem Geburtstag … Und wo warst du? Mit dem Bischof im Bermudadreieck!« Wieder flog das Hammerende, diesmal in Richtung Friesenstraße. »Und jetzt das hier? Ich wasche deine Baustellenklamotten, die du hier tagtäglich einsaust und du platzierst mir das Corpus Delicti auch noch direkt vor der Nase? Willst du mich eigentlich verarschen? Kirche, Beten, Arbeiten und jetzt Huren? Willst du die gesamte Kirchengeschichte in einem einzelnen Leben nachstellen?«
»Rita, ich wollte dir doch nicht wehtun!« Christians Stimme klang nun flehend.
»Oh, du gibst es also zu? Aber ich will dir gerade wehtun, das kannst du glauben. Gleich noch vor dem Lieben Gott und Jesus selbst.«
»Rita! Zieh den Namen des Herrn nicht in den Schmutz!«
»Wie bitte?« Sie machte katzenartig wieder drei Schritte auf ihn zu und war nun fast dicht genug, dass sie ihn bei der nächsten Hammergeste mit dem schweren Instrument am Ende noch erwischen könnte. »Wenn der Herr so gütig ist, dann wird er dir vergeben, aber ich bin nicht der Herr! Ich bin nur deine Frau.«
»Ja eben, Rita! Meine Frau! Vertraust du mir denn gar nicht?«
Das war zu viel und Rita, die mit Geschrei und Gefuchtel schon einiges an wütender Energie herausgelassen hatte, brauste erneut auf, noch heftiger als zuvor. »Vertrauen? Mach, dass du hier herauskommst, sonst versündige ich mich wirklich noch an dir!«, schrie sie. Diesmal hallte es sogar oben im Dom und Christian schrak zusammen. So hatte er Rita noch nie erlebt und bekam es tatsächlich mit der Angst zu tun.
»Rita, ich liebe dich doch!«, versuchte er, sie zu beschwichtigen, doch es klang kläglich. Und falsch. Tränen rannen ihre Wangen herunter und sie schüttelte gebrochen den Kopf.
»Das glaubst aber auch nur du.« Sie drehte sich zum Ausgang um, den Hammerarm schlapp an ihrer Seite hängend und in Christians Augen keimte ein Funken Hoffnung auf.
»Ich habe wirklich keine andere …«
»Und lügen kannst du auch. Hier im Dom. Baustelle hin oder her, aber dies ist noch immer ein Gotteshaus. Du versündigst dich. Schon seit acht Jahren. Du bist der verlogenste Mensch, der mir je begegnet ist. Ich will dich nicht mehr sehen. Bin ich froh, dass wir wenigstens keine Kinder bekommen haben, sonst hätte ich am Ende noch tagtäglich deine Visage vor Augen, auch wenn ich mich von dir scheiden lasse.«
»Du willst dich scheiden lassen?« Jetzt klang Panik in Christians Stimme durch. »Du kannst dich nicht scheiden lassen! Vor allem kann ich mich nicht scheiden lassen! Wie sähe das denn aus?« Diesmal rannte er auf sie zu und packte seine Frau bei den Schultern. »Rita! Du kannst dich nicht scheiden lassen!« Er griff fester zu und schüttelte sie.
»Und wie ich das kann!« Panisch riss sie sich los und sprang die ersten drei Stufen von der Krypta in den Dom hinauf.
»Rita!« Christians Stimme überschlug sich fast, als er ihr nachjagte und versuchte, ihr Bein zu greifen, als plötzlich ein lautes Krachen durch den Raum hallte.
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