Schlechte Karten
Ein Kurzkrimi aus der Paula Anders Reihe (chronologisch zwischen »Mord & Schokolade« und »Mord & Kaffee schwarz«). Eine Tote wird in ihrem »Hexenhaus« gefunden. Ein Dolch steckt in einer Tarotkarte, sein Zwilling in der Toten. Volker sucht Rat bei seiner Exfrau Susi, die sich mit dem Kartenlegen auskennt.
Diese Kriminalgeschichte erschien zuerst unter demselben Titel in der Anthologie „Auf der Sonnenseite des Schreibens“, Herausgeberin Anni Bürkl, 2015.
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Leseprobe
?Ach Du Scheiße.? Volker schlug die Hand vor Nase und Mund, um den Geruch auszublenden. Eine krude Mischung aus Fa?ulnis, dem beißenden Geruch von Exkrementen, abgebrannten Kerzen, Ra?uchersta?bchen und verschiedenen Kra?utern und Blumen. Besonders der Duft der halbtrockenen Kra?uter legte eine Art matte Decke u?ber die olfaktorische Szenerie, die von Leichengeruch und Exkrementen unangenehm durchstochen wurde. Volker fragte sich immer, wie Menschen darauf kamen, dass Leichengeruch etwas mit ?su?ßlich? zu tun habe. Keiner von denen hatte jemals ein schlechtes Steak im Ku?hlschrank gehabt. Oder einen Toten im Keller. Wie in einer Ba?ckerei roch es hier jedenfalls nicht. Sah auch nicht danach aus. U?berall an den Wa?nden des winzigen Raums hingen Bu?ndel von halbvertrockneten Blumen und Kra?utern herunter.
Sein Kollege Brunner dra?ngte sich hinter ihm in den Raum, wiederholte Volkers einga?ngliche Bemerkung, tat ihm auch die Geste nach und stu?rzte wu?rgend wieder hinaus. Volker ignorierte die darauf folgende Gera?uschkulisse und schaute sich stattdessen aller U?belkeit zum Trotz um. Sie befanden sich in einem winzigen Ha?uschen, kaum gro?ßer als ein durchschnittliches Gartenhaus. Der Garten drum herum, durch den sie auf ihrem Weg hierher gegangen waren, hatte einen sehr u?berwucherten Eindruck gemacht und an einer Stelle wa?re Volker beinahe mit dem Fuß in einem dicken Geflecht von Kriechpflanzen ha?ngengeblieben. Ja, der Garten ko?nnte ein Paar kra?ftige Ha?nde gebrauchen. Oder zwei. Oder zwo?lf.
Hereingekommen waren sie durch die kleine Ku?che, in der sich Brunner gera?uschvoll in die Spu?le u?bergab. Volker hoffte zumindest sehr, dass es die Spu?le war. Und dass er dort gerade keine Beweise vernichtete. Er fasste sich ein Herz und lugte aus dem Wohnzimmer zuru?ck in die Ku?che. Alte, abgeschlagene Emaille-To?pfe und gusseiserne Pfannen, wie Volker sie von seiner Großmutter noch kannte, hingen u?ber dem Herd, der zumindest bereits ein Elektromodell war. Eine Mikrowelle und ein altertu?mlicher Einmachtopf dra?ngten sich auf einer blauen Anrichte zusammen. Daneben wu?rgte Brunner noch immer u?ber der Spu?le. Immerhin.
Volker fand die Zusammenstellung von allem hier drinnen irritierend, aber er konnte den Finger noch nicht genau darauf legen, was es war. Auch zuru?ck im Wohnzimmer, in dem er kurz darauf wieder mit vor die Nase gepresster Hand stand, war alles zusammengewu?rfelt. Alt und halbwegs neu, das Fehlplatzierteste war wohl das Smartphone auf dem Tisch neben bunten Spielkarten, die in einem geometrischen Muster verteilt waren. Aber noch etwas geho?rte nicht dazu.
?Wie Patience sieht das aber nicht aus? murmelte Brunner, der offenbar seine vormalige Bescha?ftigung aufgegeben und sich zu Volker gesellt hatte. Volker kramte kurz in seiner Hosentasche, reichte dem Kollegen wortlos eine Packung Pfefferminz-Drage?es und bemerkte trocken: ?Tarot.?
?Ich dachte, das spielt man zu viert??
?Das wa?re Tarock.?
?Und das hier??
?Tarot. Brunner, das sind Wahrsagekarten.? ?Geho?rt das Messer dazu??
Brunner deutete auf das Messer mit dem verzierten roten Griff, das in der Tischplatte steckte und dabei eine der Karten aufgespießt hatte.
?Nein, das geho?rt nicht dazu.?
?Geho?rt wohl zu dem anderen, das in der Frau steckt?? Volker drehte sich abrupt um. Brunner stand einen Meter weiter rechts, von dort aus konnte man sehr deutlich sehen, woran die Frau gestorben war. Dasselbe Schicksal, das schon der Tarotkarte auf dem Tisch widerfahren war. Und tatsa?chlich sah das Messer verblu?ffend a?hnlich aus. Nur war ein Griff rot und der andere tiefblau.
?Hu?bsches Stu?ck.?
?Seit wann stehen Sie auf Rothaarige? Ich meine, ohne das ganze Blut und die Leichenstarre gefiele sie mir ohnehin besser.?
?Brunner! Ich meine das Messer!?
?Oh. Ja klar.?
Volker schaute sich die Frau noch einmal genauer an. Sie war erstaunlich jung fu?r die Umgebung. Er hatte bei der Hu?tte eine alte Frau in Kittelschu?rze erwartet. Das war es, was ihn irritiert hatte. Die ganze Einrichtung passte eher zu einem alten Mu?tterlein oder einem Junggesellen, der keinen Wert auf die Einrichtung legte. Nichts passte zusammen. Kein Messie-Haushalt, nein. Es war nichts vollgestopft und auch nicht schmutzig. Aber es gab nichts, was ?zuviel? gewesen wa?re. Alles hier drinnen sah so aus, als wu?rde es benutzt. Mehr oder weniger regelma?ßig. Kein Nippes. Kein Bu?cherregal. Keine Zeitschriften und nichts, was auch nur anna?hernd so aussah, als wa?re es zu Dekorationszwecken da. Und hier sollte eine Frau gelebt haben? Vermutlich die Tote, die auf den ersten Blick vielleicht Ende Dreißig, Anfang Vierzig war, dazu rothaarig, schlank.
Sie trug einen abgewetzten Rock aus grauem Cord, dazu eine psychedelisch gemusterte Leggings in Gru?n und Orange, schwarze Socken mit weißen Punkten und rote, lederne Schnu?rschuhe mit gelben Schnu?rsenkeln. Dieser Kleidung nach war sie wohl eine ?Alternative? – nicht, dass er bei dem ganzen Kra?uterkram nicht ohnehin darauf ha?tte kommen ko?nnen. Interessant, dass sie eine Jacke anhatte. Eine kleine Tasche, aus der einige noch buntere Kleidungsstu?cke herausquollen, lag gleich neben ihr. Volker identifizierte mindestens zwei Shirts und mehrere Teile Unterwa?sche und runzelte die Stirn.
?Gut, lassen Sie den Gerichtsmediziner und die Spurensicherung rein. Ich rufe meine Exfrau an.? ?Erinnert Sie der Anblick von toten Frauen immer an Ihre Exfrau??
?Nein, aber sie kennt sich mit Tarot aus und kann uns sicher sagen, was es zu bedeuten hat, wenn ein Messer in?? Er beugte sich u?ber den Tisch und versuchte, die Schrift auf den schon sehr abgegriffenen Karten besser lesen zu ko?nnen. ?? in der Sonne steckt.?
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